Regentaufe
von Durs Grünbein

In Parma regnete es. Die Tage ertranken
im strömenden Regen aus allen Traufen –
da fiel es mir ein: Du bist nicht getauft,
nicht konfirmiert, auch nicht beschnitten.
Im Schatten des Baptisteriums, das Gesicht
verdunkelt unter dem Regenschirm,
traf mich das Faktum: Religiös unmarkiert.
Die Wasser stiegen, die Basilisken im Stein
rückten näher, die Höllenreptilien krochen
an der Fassade herab. Feucht glänzte
der rosa Marmor, wie Gaumenfleisch.

Und da stand ich, vom Regen festgenagelt,
und starrte den Wassermassen entgegen.
Daß wir manchmal im Irgendwo stranden,
auf Plätzen, an die uns niemand gerufen hat,
kommen wir damit klar? Es ist wahr,
in der Fremde erst kommt man sich nah,
zwischen den Heimen der andern der eine,
den keiner erwarten würde bei Tisch.
Das meinte der Regen, meinten die Löwen
vorm Domportal, ganz Parma sprach es aus.

Hier war man unbehaust, ein Fremder,
und hätte auch dort sein können, im Jenseits
mit denselben Regenspeiern, Dämonen
in einen Strom kalter Lüfte getaucht
im Purgatorio. Für die Bewohner Parmas
hätte es keinen Unterschied gemacht.
So stand ich da, das Rückgrat geschmiegt
an das Oktogon und rang nach Luft, schaute,
während der Regen alles in Demut hüllte.