Liebe Leserin, lieber Leser,
die neue Ausgabe unserer Zeitschrift widmet sich der neuen Literatur aus Tschechien. Martina Lisa, Daniela Pusch und Ondřej Cikán haben ein vielstimmiges Dossier mit Lyrik und Prosa zusammengestellt und übersetzt, das bedeutende Autoren der aktuellen tschechischen Literatur versammelt.
Tereza Semotamová umreißt in ihrem einführenden Essay die Situation der Literatur in Tschechien so: »Aber am Ende also kein großer Roman, wobei die jüngere Generation womöglich auch gar nicht mehr darauf wartet, im Gegenteil, sie schätzt die guten ›kleinen‹ Romane und Gedichtsammlungen, von denen in letzter Zeit einige erschienen sind. Und die greifen formell und inhaltlich aktuelle gesellschaftliche Themen auf.« Es geht um Themen wie das Erwachsenwerden auf der Peripherie in den Neunzigern, um Elternschaft, alternde Frauen, Klimakrise. Tereza Semotamová ist davon überzeugt: »Die tschechische Literatur ist gerade in einer guten Verfassung. Dennoch braucht es noch viel mehr Stimmen von jenen, die wenig präsent sind […]. Weil sie eben nicht damit rechnen, dass […] auch sie der Welt etwas erzählen können, etwas Neues und Eigenwilliges.«
In der Lagebesprechung stellt Dagmara Kraus die junge Dichterin Julia Dorsch vor, eine Dichterin, die »in der italienischen Schweiz mit den beiden Muttersprachen Deutsch und Italienisch aufwuchs, translinguale Wortanreicherung betreibt, um aus der polyglotten Verschaltung Poetisches zu heben« und in ihren Texten »der gewaltigen anthropogenen Misere, wie sie hier ins Blickfeld rückt, sensible Verse abringt«.
In den Bildern des Dresdner Künstlers Thomas Matauschek sind es, wie Tobias Wellemeyer in seinem Text anmerkt, immer wieder Marginalien, die »eine besondere Aura erlangen. […] Er sucht die Peripherien, die nüchterne, ereignisarme Langsamkeit, das stille, kaum vernehmbare Rauschen der Raumzeit. Doch gerade hier, quasi am Nicht-Ort, führt er uns in einen unendlichen Reichtum hinein – die Blaus, die Ocker-, Gelb- und Bernsteinvarianten, die unzähligen Grau- und Anthrazittöne, den Rhythmus und die formale Musik der Flächen, die lebendige Dramaturgie des Lichtes, der Schatten und der Spiegelungen.«
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre des neuen Heftes.
Mit Bestürzung hat die Redaktion vom plötzlichen Tod Heinz Weißflogs erfahren. Dieser große Kenner und empathische Kritiker der sächsischen Kunstszene war unserer Zeitschrift seit ihrer Gründung über 30 Jahre hin eng verbunden. Mit seinen einfühlsamen Essays zu zahlreichen Künstlern hat er das Profil der Zeitschrift maßgeblich mitgeprägt.
Die Redaktion