Matthias Jackisch ist Jahrgang 1958, geboren in Oschatz, aufgewachsen in Neukirch in der Oberlausitz. Die Oberlausitz hatte etwas Unbescholtenes. Ein sanftes Gebirge mit eigenem Menschenschlag, nicht einfach. Der Wald lag voller Steine, was hätte aus mir werden sollen, außer ein Bildhauer.
Kunst war in seiner Kindheit präsent, auch im Elternhaus, aber verschämt ins Außen verwiesen als ein Anderes, eine Schönheit, die es geben sollte, aber nicht im Zentrum der Existenz. Ins Zentrum gehörte die Arbeit, die richtige, die ihren Mann stellt und hält, tapfer deutsch im flausenfreien Tagwerk in den Hallen, Tageauen und Kantinen, die die Welt bedeuten sollten, jetzt und für immer: »Deine Hand für dein Produkt – Leiste was, dann leiste Dir was«. Fragen nach dem Ort der Kunst sind immer auch Fragen nach der menschlichen Substanz und ihrem Wohin, ein Test, welche Utopien menschliche Gesellschaften schon oder noch zulassen, brauchen und ertragen.
Oder auch: welche Wirklichkeiten. Für die in den 1930ern Geborenen lag der Krieg nicht weit zurück, in der DDR war der noch gut zu sehen und für viele der noch Älteren fast Gegenwart. Für die im nämlichen Osten in den 60er und 70er Jahren Heranwachsenden war die den Eltern verheißene, von ihnen vertretene Zukunft aber befremdende Gegenwart, brüchig, unfest oder schlimmer: formales Gerede. Dazwischen verglommen die Utopien, für die einen eher, die anderen später. Kunst war in der späten DDR eine Insel, die wuchs. Jackisch muss früh Bilder gesehen haben, neue und mehr noch die der Alten, ihr Interagieren und Fordern in einer Welt, die sich als widerspruchsfrei definierte, auf dem Wege, demnächst, schon morgen: »Es rettet uns kein höheres Wesen«.
Ich habe immer gezeichnet und modelliert. Zeichnen war eine Nische. Vater konnte zeichnen, er hat Kopien gemacht nach Franz Marc. Aber, dass ich mit Kunst zu tun habe, das wollte er nicht. Er war Arzt und wollte, dass ich Arzt werde. Er hat mich nach Bautzen zum Bildhauer Rudolf Enderlein geschickt, damit ich sehe, wie’s ist. Das sollte mich abschrecken. Enderlein sagte
den Satz: Das einzig gute am Bildhauerberuf ist, du hast immer Arbeit. Und ich hab gesagt: Mehr brauch ich nicht. Töpfermeister Lehmann gab mir Ton und sagte: Modellier’ was. Ich hab eine Katze gemacht und noch eine und dabei gemerkt, so einfach geht das nicht, das Zeug platzt ab beim Brennen, ich muss noch lernen. Und ich hab gezeichnet. Die Zeichnungen waren altmeisterlich angehaucht und wurden sehr gelobt.
Ernst wurde der Herbst 1977: Dass es Bildhauerei sein soll, war klar. Jackisch ging auf den Stein zu, wurde mit ihm handgemein, dann langsam vertraut. Für das Kunststudium hätte er eine bestandene Eignungsprüfung gebraucht und die hatte er nicht, also verdingte er sich in Steinigtwolmsdorf als anzulernender Hilfsarbeiter, für circa 3 Monate.
Dort hab ich nach dem Abitur meine erste Lehre begonnen, Granit zu hauen. Und gemerkt, wie scheißhart das Zeug wirklich ist. Also ich hab da in ’nem privaten Betrieb ’nen Meißel und ’nen Hammer in die Hand gekriegt, ’nen Handschutz und ’ne Brille. Und ich musste dann lernen, wie man auf den Stein haut, dass was abgeht. Und wenn dann erst mal nichts abgeht, 14 Tage lang: Das war hart.
Für eine reguläre Steinmetz-Lehre galt der Abiturient eigentlich als überqualifiziert, aber Elbenaturstein, ein staatlicher Betrieb in Dresden, bot den Einstieg über die Erwachsenenqualifikation an. Vom Granit ging es zum Sandstein, dann ging’s besser, dann gut. Ich hab da viel über Steine gelernt und über Werkzeug und das Handwerk. Es hat Spaß gemacht und ging aufwärts. Ich war vier Jahre bei Elbenaturstein. Ich hab da den ganzen barocken Kanon mitbekommen.
Während und nach der Lehre bewarb sich Jackisch an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und machte die Eignungsprüfung, dreimal, zuletzt mit Erfolg. 1981 begann das Studium und endete 1986 mit dem Diplom.
Es war eine berührende, ehrfurchterregende Sache, da durch die Türen zu gehen. Werner Stötzer meinte: Ein Kunststudium ist wie ein Brennofen, es geht auch viel kaputt. Für mich war es sehr wichtig, Leute bei der Arbeit zu sehen, ihr Sehen, ihr Herangehen, ihr Reagieren. Das war eine wichtige Erfahrung. Und das Kunststudium war fast ein Ausweg aus der Gesellschaftsmisere. Gut und wichtig war auch, dass es die ideologische Überfrachtung zu meiner Zeit nicht mehr gab. Auch wenn es haarig werden konnte.
Gelernt habe ich, du musst kämpfen um deine Kunst, um Ernsthaftigkeit, um das, was nur du machen kannst.