vielleicht gibt es keine allgemeinen / verallgemeinerbaren Gründe zu schreiben, nur Körper, die immer wieder neu in Zusammenhänge plumpsen, einfallen, das Poesiealbum meiner Mutter, ein Onkel, der mir Nis Randers vorliest, dabei weint usw.
das Wort Material ja nicht uneinschüchternd, vor allem, wenn ich mein Verhältnis zu ihm erst noch bestimmen muss, das Ringen um Einfallswinkel, ein schmaler Grat auch zwischen sich anverwandeln und sich etwas aneignen, »Ich war entstellt vor Ähnlichkeit, mit allem, was hier um mich ist«, schreibt Walter Benjamin, funktioniert das auch andersherum? wäre eine mimetische Praktik in der Lage, ihren Umraum (womöglich gar rückwirkend) zu entstellen?
es geht dabei nicht eigentlich um Themen, sondern nach Möglichkeit um etwas, für das es, in der flüchtigen, spezifischen Konstellation eines Moments, noch keine Sprache gibt, zumindest keine, die ich schon kannte. das Motiv der eigenen als einer fremden Sprache ja ein wiederholt und aus unterschiedlich prekären Positionen heraus formuliertes, von einer vorausgehenden, politisch bedingten Störung im Verhältnis zur Muttersprache berichtend (z.B. bei Jacques Derrida) bzw. sich diese Störung erst zu erarbeiten suchend (z.B. bei Gilles Deleuze), wobei ich meine Situation der zweiten Kategorie zugeordnet und mich daher zur besonderen Umsicht angehalten sehe
in Bezug auf das Material: es aufmerksam sichten, mit Augenmerk zum einen auf das Störrische, aufgrund der Distanz unauflösbar Erscheinende (etwa das Wort »Glüder« in der Werkausgabe von Sibylla Schwarz), zum anderen auf das, was mich spontan, unmittelbar affiziert, sich vielleicht (evtl. auch unter Zuhilfenahme anderer Stimmen, zeitgenössischer Artefakte etc.) anbietet für den Einstieg in ein Gespräch, in dem natürlich viel spekuliert wird, das anfällig ist für Missverständnisse, Fehlinterpretationen etc., das aber dennoch das Potential birgt, mir eine bereichernde Erfahrung zu sein
in ihrem Band 3 Falter formuliert Sibylla Vričić Hausmann, eher beiläufig, den Begriff der »ersponnene[n] Übertragungen«, der mich, in seiner Offenheit, sehr fasziniert. ersponnen ja im fiktiven, verrückten, auch textilen Sinn (ein feiner, fester Faden); Übertragungen im psychoanalytischen, dem der Übersetzung, der Ansteckung usw.
bei Vričić Hausmann vielleicht gedacht als Konzept einer losen, freien Verwandtschaft über räumliche und zeitliche Distanzen hinweg, die nicht nur das Lesen von »unterschätzten, fast vergessenen Texten« voraussetzt, sondern auch das Denken in ihnen, vielleicht gar hinausläuft auf eine Genealogie möglicher zeitgenössischer Selbstverständnisse
wobei diese Selbstverständnisse ja ambig bleiben würden. in einem Text zu einer früheren Arbeit von Katrina Daschner schreibt die Kuratorin Övül Ö. Durmuşoglu, Daschner habe, ehe sie einen queeren Chor in ihre Filme einbaute, zunächst einen »Chor ihrer eigenen ›Anderen‹« geschaffen (Chor als Konzept finde ich hier u.a. deshalb interessant, weil das Phänomen der Stimme die enge Verquickung eines sprachlichen Ausdrucks mit einem Körper und dessen Bedingungen illustriert)
ich denke, mich interessiert in diesem Sinn ein Inbezugsetzen der inneren und äußeren Ansammlungen (von Stimmen, Sprachen, Körpern, Artefakten etc.),
die Grenze dazwischen nur eine Membran