die Fische sind bei uns angekommen
Sascha Kokot

die Fische sind bei uns angekommen
gestern fielen mir zunächst die Forellen auf
kaum aus der Hintertür des Kinos getreten
stand ich direkt vor ihrem Lokal
im Schein ihrer blassen Leiber
wie sie hinterm Tresen ihr Bier zapften
auf den Bänken über Bärte stritten
im Hinterzimmer gekonnt Pingpong spielten
und all das so selbstverständlich
als wären sie schon immer hier gewesen
und so stellte ich mich einfach dazu
trank unauffällig ihr Helles und versuchte
den Geschmack des Planktons zu ignorieren
ab und zu fiel mir noch das Atmen schwer
doch die Karauschen meinten
daran gewöhnt sich ein jeder sehr schnell
und sie hatten recht nie war der Laden leer
und bis zum Morgen traf ich dort mein ganzes Viertel
irgendwann brachte ich den trunkenen Paketboten heim
und fütterte meinen Kater Vonnegut mit dem Versprechen
ihn morgen dahin auszuführen

 

 

die Schwalben ziehen ihre Bahnen
durch den blauen Nachmittag
und im Hinterhof zitiert eine Trompete
all die toten Komponisten dieser Stadt
doch vor mir schläft in Tinte schattiert
ein Falter auf deinen Rippen
ganz dicht über dem Atem
schwebt er auf und nieder trägt dich
mit jedem Zug näher an mich heran
so zerbrechlich flimmert dein Körper
noch Stunden später finde ich
deinen Geruch abgeworfen
vom Schwingen der Flügel
um hier für mich zu überwintern

 

 

die Tage segeln auf einem fahlen Himmel
trocken und ohne Widerhall verschwinden sie
ihre Schatten liegen tief unter dem Laub
welken und wärmen uns im Winterschlaf
manchmal hören wir den Tau kristallisieren
seine Formeln die Oberflächen weiß ausschlagen
den Wind einfangen und leise klirren
danach passiert wieder lange nichts
wir atmen und sinken zurück in die Schwere
überlassen unsere Muskeln den Träumen
dämmern zwischen den ältesten Reflexen
aber bevor wir uns ganz verloren haben
poltert es die Straße entlang weckt uns auf
und nimmt die alten Blätter mit sich
halb wach und steif starren wir ins Blau
bedrohlich und schön ein Weg hinaus

 

 

mit dem Nachruf auf Cassini in den Ohren
schwingst du in den Orbit ein
bevor der Sprecher die Eisvulkane erwähnt
spürst du die Schauer abperlen
ziehst deine Bahnen und liest Messdaten aus
wie schnell du inzwischen bist
wieviel Energie dir noch bleibt
wie das Gewicht an dir zerrt und das Alter
noch kannst du Signale senden
du wirst gehört vielleicht auch dort
wo die Trabanten eisig kreisen
deine Position stetig weitergeben
an wen auch immer im Kontrollzentrum
sie verfolgen den warmen Kern der dich antreibt
pulsierend durch die Dunkelheit führt
bis zum Swing-by wo du nochmal beschleunigst
um die letzten Kilometer runterzureißen
eine Raumsonde die hier auf Erden
solitär den Park erkundet
am frühen Silvestermorgen

 

 

und es gibt die Tage
da sehe ich dich
vor mir liegen
unter meinen Händen
in meinem Takt atmen
wach und doch ganz woanders
tief in dir hinter den Lidern kreisend
und nur deine Haut spricht noch
über den Nacken die Schultern die Wirbel
all deine hungrigen Tiere
ruft sie leise vor mir auf
und nie weiß ich genau
zähme ich sie oder
spielen sie nur und bin ich
nicht schon längst von ihnen
verschlungen